Mann und Frau beim Händchen halten

Warum bewusste Menschen lieber Händchen halten, anstatt sich sozial zu distanzieren.

Händchen halten statt Abstand halten. Das ist eines der Mottos bei Conscious:Love und zu unserer grossen Freude der mit Abstand meist zitierteste Slogan.

Händchen halten ist ein Ausdruck von Nähe, Vertrauen, Geborgenheit, Zuneigung und obendrein sehr gesund – was nicht nur dem gesunden Menschenverstand entspricht, sondern sich auch gut begründen lässt. Nachfolgend haben wir für euch einige wissenschaftliche Hintergründe zum Thema Nähe und Verbindung sowie explizit „Händchen halten“ aufgearbeitet, denn hierzu gibt es eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Studien mit spannenden Erkenntnissen, die unser Motto bestätigen.

"Händchen halten ist ein Ausdruck von Nähe, Vertrauen, Geborgenheit, Zuneigung [...]"

Es ist schon lange bekannt, dass soziale Isolation ein bedeutsames Gesundheitsrisiko darstellt [1]. Subjektiv wahrgenommene Isolation (Einsamkeit) führte laut einer Studie von [2] zu einer deutlich erhöhten Ausschüttung entzündungsfördernder Botenstoffe (wie Leukozyten) bei gleichzeitig reduzierter Ausschüttung anti-entzündlicher Hormone (s.g. Glukokortikoide wie z.B. Cholesterin) im Körper. Laut der «Opioid Theorie der sozialen Bindung» [3]führt soziale Isolation zu einer reduzierten Ausschüttung körpereigener «Glücks-Botenstoffe» (s.g. Opioide wie z.B. Endorphine) im Gehirn. Soziale Stimulation hingegen führt zu einer erhöhten Freisetzung von Endorphinen, was mit einem Zustand der Euphorie und Reduzierung des durch soziale Isolation verursachten Schmerzes einhergeht – man könnte sagen – diesen «heilt».

"Soziale Stimulation [...] führt zu [...] einem Zustand der Euphorie und Reduzierung des durch soziale Isolation verursachten Schmerzes"

Soziale Kontakte fördern bekanntermassen die Gesundheit und das Wohlbefinden, was vermutlich auf die soziale Regulierung der emotionalen Reaktionen auf verschiedene Stressfaktoren im Leben zurückzuführen ist. Experimentelle Studien legen nahe, dass die Ausschüttung von Endorphinen eine wichtige Rolle in Bezug auf soziale Nähe und Verbindung spielen. Eine Studie aus dem Jahr 2016 konnte nachweisen, dass die pharmakologische Blockierung des Opioid-Systems im Gehirn mit einem reduzierten Gefühl von sozialer Verbundenheit zu nahestehenden Menschen einherging [4]. Ein wichtiger Vermittler von sozialer Zugehörigkeit und Vertrauen ist beispielsweise der auch als «Kuschelhormon» bekannte Botenstoff Oxytozin, welcher bei Körperkontakt ausgeschüttet wird und eine Schlüsselrolle der sozialen Bindung bei Menschen und Säugetieren einnimmt [5]. Für die Bedeutsamkeit von Nähe, Verbindung und Kontakt lassen sich also handfeste Belege anführen, wobei sogar dem Händchen halten explizit der Gesundheit dienliche Effekte zugewiesen werden können.

"Dem Händchen halten [können] explizit der Gesundheit dienliche Effekte zugewiesen werden [...]"

Eine 2006 veröffentlichte experimentelle Studie mit dem Titel «Eine helfende Hand anbieten: Soziale Regulierung der neuronalen Reaktion auf Bedrohung» untersuchte die Bedeutsamkeit des «Händchen haltens» im Anbetracht bedrohlicher Situationen [6]. In dem Experiment wurden (a) die bedrohungsbezogene Aktivierung im Gehirn mittels eines bildgebenden Verfahrens, (b) das subjektiv wahrgenommene Unwohlsein sowie körperliche Erregung als auch (c) die wahrgenommene Beziehungsqualität der Probanden erfasst und untersucht.

Händchen halten wurde als unterstützendes soziales Verhalten ausgewählt, weil es (a) eine übliche nonverbale Form des Ausdrucks von sozialer Unterstützung und Zuneigung ist, (b) bei nichtmenschlichen Primaten während Phasen der dyadischen (Zweierbeziehung) Versöhnung und Beruhigung beobachtet wurde und (c) nachweislich die autonome (unbewusst und nicht kontrollierbare) Erregung als auch Berichte über Angst unter stressigen Bedingungen reduzierte.

 

In dem Experiment wurden 16 verheiratete Frauen der Bedrohung durch einen (leichten) Elektroschock ausgesetzt, während sie entweder die Hand ihres Ehemannes, die Hand eines anonymen männlichen Experimentators (hier Fremder) oder gar keine Hand hielten. Während des Experimentes wurde ihre Gehirnaktivität indirekt mittels eines bildgebenden Verfahrens, der s.g. funktionellen Magnetresonanztomogaphie (fMRI) erfasst. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, welches die Anreicherung des Blutes mit Sauerstoff in den verschiedenen Gehirnbereichen abbildet, woraus Rückschlüsse auf die Aktivität in dem jeweiligen Areal abgeleitet werden können. Streng genommen handelt es sich hierbei um ein korrelatives Mass, welches nicht direkt (kausal) die Gehirnaktivität misst, wie das im Elektroenzephalogramm (EEG) möglich ist. Dafür lässt sich mit diesem Verfahren der genaue Ort der Aktivität sehr präzise feststellen und abbilden.

Die Ergebnisse zeigten eine durchgängige Reduzierung der Aktivierung in den neuronalen Systemen, welche die emotionalen und verhaltensbezogenen Reaktionen auf die Bedrohung unterstützen, sofern die Ehefrauen die Hand ihres Ehemannes hielten.

"Händchen halten [ist] eine übliche nonverbale Form des Ausdrucks von sozialer Unterstützung und Zuneigung [...]"

Beziehungsqualität und neuronale Reaktion auf Bedrohung

Am auffälligsten war, dass die Auswirkungen des Händchenhaltens des Ehepartners auf die neuronalen Bedrohungsreaktionen in Abhängigkeit der Beziehungsqualität variierten, wobei eine höhere Beziehungsqualität eine geringere bedrohungsbezogene neuronale Aktivierung während des Händchen-haltens des Ehepartners – nicht jedoch des Fremden – voraussagte. Auf die gemessene körperliche Erregung konnte für die Beziehungsqualität kein signifikanter Einfluss beobachtet werden.

Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass Menschen, welche sich in einer qualitativ besseren Beziehung befinden, von größeren regulatorischen Auswirkungen auf jene neuronalen Systeme profitieren, welche die Stressreaktion des Gehirns einschliesslich der emotionalen Komponente der Schmerzverarbeitung unterstützen.

"Händchen halten schwächt neuronale Bedrohungsreaktionen ab [und] reduziert subjektives Unbehagen [...]"

Händchen halten schwächt neuronale Bedrohungsreaktionen ab

Das kennzeichnende Muster der neuronalen Aktivierung, welches für einen Zustand der Bedrohung kennzeichnend ist, war während dem Händchenhalten des Ehemannes im Vergleich zum vollständigen Fehlen des Händchen-haltenden Beistandes in Gehirnregionen welche für die Regulation von Emotionen als auch emotionsbezogener selbstregulierender Funktionen bedeutsam sind, signifikant verringert. Auch das Händchen halten des Fremden konnte die neuronale Aktivierung signifikant verringern, obgleich die Auswirkungen in vergleichbaren Gehirnregionen weniger stark waren.

Händchen halten reduziert subjektives Unbehagen und körperliche Erregung

Sowohl der Ehemann als auch der Fremde konnten durch Händchenhalten im Vergleich zur Versuchsbedingung ohne haltende Hand die körperliche Erregung deutlich verringern (siehe Abb. 1), wobei im Falle des Fremden die Ergebnisse hier nur statistisch signifikant und inhaltlich (Effektgrösse) weniger bedeutsam waren.

Das subjektiv wahrgenommene Unbehagen der Ehefrauen konnte nur durch den händchenhaltenden Ehepartner, nicht jedoch durch den Fremden signifikant verringert werden (siehe Abb. 1) – was besonders auffallend und interessant erscheint.

Darstellung einer Statistik zur Bindung im Vergleich Ehemann, Fremder, keine Hand.

Abb. 1: Gemessene körperliche Erregung und wahrgenommenes Unbehagen der Ehefrauen mit Händchen-halten (Ehemann & Fremder) sowie ohne Händchenhalten (Keine Hand).

Es ist bekannt, dass hochqualitative Bindungsbeziehungen unter anderem die Auswirkungen von Stress, Verletzungen und Infektionen entschärfen können [7].

"[...] hochqualitative Bindungsbeziehungen [können] [...] die Auswirkungen von Stress, Verletzungen und Infektionen entschärfen [...]"

Wir bei Conscious:Love betrachten Körperkontakt als ein unerlässliches menschliches Grundrecht und Grundbedürfnis der Prävention, Aufrechterhaltung und Förderung körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheit. Conscious:Love setzt sich bewusst für eine aktive Körperkultur ein. Körperkontakt kann sowohl in einem intimen oder erotischen, aber auch freundschaftlichen oder kameradschaftlichen Kontext stattfinden. Ungezwungener, nicht sexueller und spielerischer Körperkontakt zwischen Frauen erscheint häufig selbstverständlicher als auch gesellschaftlich akzeptierter und stellt einen wichtigen Ausgleich dar, gerade in Zeiten ohne aktive intime Liebesbeziehung. Für weiterführende Informationen zum Thema empfehlen wir das Buch «Weiblichkeit leben – Die Hinwendung zum Femininen» als auch den Podcast von Leila Bust.

"Wir bei Conscious:Love betrachten Körperkontakt als ein unerlässliches menschliches Grundrecht und Grundbedürfnis der Prävention, Aufrechterhaltung und Förderung körperlicher, geistiger und seelischer Gesundheit."

Körperkontakt unter Männern ist nicht weniger wichtig und findet klassischerweise beim Sport und insbesondere Kampfsport (für Jungs beim spielerischen Raufen) oder echten Kämpfen statt. Auch wenn das für Frauen paradox klingen mag, kommen sich Männer auf diese Weise näher und fördern so die Verbindung als auch das Vertrauen untereinander und stärken ihre geschlechtsbezogene Identität – welche Ausdruck starker und souveräner Familien sowie einer resilienten Gesellschaft ist. Wir beobachten und bedauern einen spürbaren Rückgang sowohl für den tatsächlichen Körperkontakt unter Männern als auch dessen gesellschaftliche Akzeptanz, geschweige denn Förderung und möchten alle Männer explizit zu einer «aktiven Körperkultur» ermuntern und ermutigen. Für weiterführende Informationen zu diesem Thema empfehlen wir die Bücher «Männlichkeit leben: Die Stärkung des Maskulinen» und «Bevaterung: Warum Kinder den Vater brauchen» als auch den Podcast von Bjørn Thorsten Leimbach.

Bewusste Menschen streben nach ständiger persönlicher und kollektiver Weiterentwicklung. In diesem Sinne freuen wir uns und sind stolz darauf, hierzu einen Beitrag leisten zu dürfen.

Wenn das Leben beschwerlich erscheint und Sorgen bereitet, erinnert euch eine haltende Hand zu suchen oder bietet eure eigene Hand zur Unterstützung an. Händchenhalten heilt!

Referenzen

 

[1] House, J. S., Landis, K. R., & Umberson, D. (1988). Social relationships and health. Science, 241(4865), 540-545. https://doi.org/10.1126/science.3399889

 

[2] Cole, S. W., Hawkley, L. C., Arevalo, J. M., Sung, C. Y., Rose, R. M., & Cacioppo, J. T. (2007). Social regulation of gene expression in human leukocytes. Genome biology, 8(9), 1-13. https://doi.org/10.1186/gb-2007-8-9-r189

 

[3] Nelson, E. E., Panksepp, J. (1998). Brain Substrates of Infant–Mother Attachment: Contributions of Opioids, Oxytocin, and Norepinephrine. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 22(3), 437-452. https://doi.org/10.1016/S0149-7634(97)00052-3

 

[4] Inagaki, T. K., Ray, L. A., Irwin, M. R., Way, B. M., & Eisenberger, N. I. (2016). Opioids and social bonding: naltrexone reduces feelings of social connection. Social cognitive and affective neuroscience, 11(5), 728-735. https://doi.org/10.1093/scan/nsw006

 

[5] Kosfeld, M., Heinrichs, M., Zak, P. J., Fischbacher, U., & Fehr, E. (2005). Oxytocin increases trust in humans. Nature, 435(7042), 673-676. https://doi.org/10.1038/nature03701

 

[6] Coan, J. A., Schaefer, H. S., & Davidson, R. J. (2006). Lending a hand: Social regulation of the neural response to threat. Psychological science, 17(12), 1032-1039. https://doi.org/10.1111%2Fj.1467-9280.2006.01832.x

 

[7] Robles, T. F., & Kiecolt-Glaser, J. K. (2003). The physiology of marriage: Pathways to health. Physiology & behavior, 79(3), 409-416. https://doi.org/10.1016/S0031-9384(03)00160-4